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Aus der Geschichte Ihringens vom Mittelalter bis zur Gegenwart

Der Kaiserstuhl liegt in einer Landschaft, die uraltes Siedlungsgebiet ist. Die ersten Menschen erscheinen hier während der altsteinzeitlichen Epoche des Magdalenien (etwa 20 000 bis 8 500 v. Chr.). Es handelt sich um eine Jägerkultur in einem Gelände offener Kältesteppen. Aber erst die wärmere Jungsteinzeit (2500 bis 1 800 v. Chr.) läßt den Menschen seßhaft werden und Ackerbau treiben. Die Ränder des Tuniberges und Kaiserstuhles werden als Siedlungssitze bevorzugt. Das gilt insbesondere von Plätzen mit Südlage zur Sonne und mit Lößablage als begehrtem Untergrund für die Landwirtschaft. Alle diese Voraussetzungen treffen für Ihringen zu. Aber noch ist ein Ort dieses Namens geschichtlich nicht zu fassen.In der Hallstattkultur (ab 800 v. Chr.) findet man im Gebiet des Oberrheins Kelten, Stämme mit indoeuropäischer Sprache. Aus dieser Zeit geben vielfache Funde Aufschluß über die Blüte von Handwerk und Kunst: Westlicher Tuniberg, Schlatt und zahlreiche Gräber bei Ihringen, Gündlingen und Rimsingen.Durch den siegreichen Zusammenstoß des römischen Feldherrn Caesar mit den keltischen Helvetiern bei Bibracte (58 v. Chr.) tritt das Oberrheingebiet in die Geschichte ein. Um 73 n. Chr. wird dieses Land rechts des Rheins als Decumatenland in das Römerreich einbezogen. Münzfunde aus der Zeit des Antoninus Pius und des Constans geben Zeugnis davon. Um 260 durchbrechen die Alemannen den römischen Limes und siedeln sich hier an. Sie bilden fortan die Grundlage des Volkstums. Nach einer Vermutung von Pfarrer Dr. Sick werden in dieser Zeit der alemannischen Besiedlung die Terrassen des Lößgebietes zum Schutze der Felder gegen Regen angelegt.Es wird heute als gesichert angenommen, daß Orte auf -ingen, wie Ihringen u. a., zu den ältesten Siedlungen aus alemannischer Zeit zählen.Aber erst im Jahre 962 wird Ihringen urkundlich erwähnt und als "Uringa" bezeichnet. Vergegenwärtigen wir uns die politischen Strömungen dieser Zeit. Im Jahre 952 beginnt König Otto I., dem die großen Straßen nach Italien wichtig geworden sind, auch im Oberrheingebiet in die Ordnung der Einzelverhältnisse einzugreifen.Hier im Breisgau hat das Herzogtum Schwaben mit Waldkirch und Breisach eine starke Stellung (Freiburg existiert noch nicht). Neben ihm steht eine weitere Macht im Breisgau. Sie wird durch den aus dem Elsaß stammenden Breisgaugrafen Guntram verkörpert. Guntram besitzt Riegel und damit die Kontrolle über den gesamten Nord-Süd-Verkehr; denn die Pforte von Riegel bildet den einzigen Durchlaß zwischen Kaiserstuhl und Schwarzwald. Mitten in der Freiburger Bucht verfügt er über die beherrschende Anhöhe des Mauracher Berges. Seine zahlreichen Besitzungen am Kaiserstuhl, darunter Ihringen, bilden zusammen mit Kolmar einen mächtigen Querriegel.Da Graf Guntram sich der ottonischen Reichspolitik nicht fügt - er ist gewohnt, hier selbständig zu regieren -, wird er Anfang August 952 auf dem Reichstag zu Augsburg des Hochverrats angeklagt und verurteilt. Otto I. zieht seine Güter ein, auch Ihringen. Den Breisgau sieht Otto als so wichtig an, daß er sofort nach dem Sturz Guntrams die Grafschaft seinem Sohn Liudolf anvertraut, der zugleich das Herzogsamt in Schwaben innehat. Dieser Liudolf unternimmt zusammen mit Herzog Konrad von Lothringen 953/54 einen Aufstand gegen Otto I. Da Otto sich behaupten kann, verliert Liudolf Herzogtum und Grafenamt im Breisgau. Bald darauf taucht im Breisgau als Inhaber des Grafenamts Graf Birchtilo auf, der erste Vertreter der Zähringer.Nach diesen stürmischen Ereignissen der Jahre 953/54 stützt Otto I. sich stärker auf die Geistlichkeit. So vertraut er der Abtei Einsiedeln die Riegeler Pforte, dem Bischof Konrad von Konstanz den eingezogenen Guntrambesitz, die Orte Buggingen, Ihringen und den Mauracher Berg an. Außer Gebäuden, Leuten, Äckern, Wiesen und Weiden, Wasserläufen und Mühlen erwähnt die Urkunde vom 21. Februar 962 - was für Ihringen besonders wichtig zu erfahren ist - Weinberge. Erst im Jahre 1147 hören wir wieder von "Vringen": Papst Eugen II. bestätigt die Freiheiten und Besitzungen der Propstei St. Ulrich (Schwarzwald), darunter einen Hof zu Ihringen. 1155 bestätigt Kaiser Friedrich I. der Domkirche zu Konstanz den Hofbesitz, den sie "seit ältester Zeit", also seit 962, innehat; 1178 konfirmiert Papst Alexander III. die Besitzungen des Klosters Waldkirch zu "Vrengen". Aus den von nun an reichlicher fließenden, uns erhaltenen Quellen ist zu ersehen, daß viele Herrschaften dieser Oberrheinlandschaft sich bemüht haben, in Ihringen Güter, Gülten, Zehnten, Zinsen und Quarten zu erwerben. Die Vermutung liegt nahe, daß auch damals schon Ihringer Wein einen guten Ruf besaß. So wird im Jahre 1300 roter Edelwein erwähnt.   Zu den Herrschaften, die hier begütert sind oder Einkünfte beziehen, gehören außer Kloster St. Margareten in Waldkirch vor allem das Kloster St. Blasien, das seit 1232 durch die Jahrhunderte nachweisbar ist. Seit 1310 finden wir die Deutschordenskommende, nach 1307, spätestens seit 1314, das Kloster Tennenbach vor. Der "Abts Wingarte" erinnert noch heute an Tennenbach. Daß das nahe gelegene Kloster Marienau zu Breisach hier begütert ist, liegt nahe und wird durch eine Urkunde aus dem Jahre 1390 bestätigt: Henni Hornwart von Ihringen übernimmt von diesem Kloster Haus und Güter zu Ihringen als Erblehen. Nahegelegt wird auch, daß das auf den rauheren Schwarzwaldhöhen gelegene Gotteshaus St. Märgen in der fruchtbaren Oberrheinebene Güter zu erhalten versucht. Ein Verzeichnis über die diesem Kloster zehntbaren Güter zu Ihringen aus dem Jahre 1481 gibt Zeugnis davon. Aber auch Bürger haben hier Besitzungen, so z. B. Frau Willeburg, Bürgerin zu Breisach (1307) und das Freiburger Geschlecht der Wolleben (1297) und das Spital zu Freiburg (1300). Aus der Zahl der hier Begüterten ragen die Herren von Üsenberg hervor, die von der Landgrafschaft im Breisgau das Dorf Ihringen haben. Sie stammen von Eichstetten. Hesso I. oder II. erwirbt u. a. die Burg Üsenberg auf einem Felsen im Rhein bei Breisach. Ferner erwerben die Üsenberger das Jagdrecht im ganzen Kaiserstuhl. Einige Generationen danach sehen wir, wie Rudolf III. mit seinem Vetter Hesso IV. die Güter und Lehen der Herrschaft Üsenberg bis gegen das Jahr 1290 gemeinschaftlich besitzen, danach teilen sie diese. Hesso erhält den oberen Teil mit Endingen und den übrigen Orten am Kaiserstuhl, also auch Ihringen, ferner die Schlösser Üsenberg, Höhingen und Riegel, desgleichen Schliengen, die Schirmvogtei des Tales Sulzberg und die Kirchensätze von Eichstetten und Hausen. Hessos Teil heißt fortan die obere Herrschaft Üsenberg. Hesso IV., der auf Schloß Riegel wohnt, wird 1304 wegen Landfriedensbruchs beim König angeklagt. Um dessen Gunst wiederzuerlangen, läßt er seinen Sohn Burkhard in den Königsdienst eintreten und muß selbst seine Stadt Endingen vom König zu Lehen nehmen. 1306 stirbt Hesso IV., sein Sohn Burkhard übernimmt die Herrschaft. 1308 schließt er mit der Stadt Breisach einen Vertrag wegen der Breisacher Bürger zu Ihringen. Im Jahre 1317 scheint er Geld gebraucht zu haben. Er und sein Bruder Gebhard (geistlichen Standes) verkaufen der Gemeinde Ihringen das Weinungeld, das der Herrschaft zukommt, für 100 Pfund Pfennig Breisgauer Münze. Doch ist er 1330 in der Lage, König Ludwig 200 Mark Silber zu leihen, wofür ihm dieser die Reichsdörfer Rimsingen, Achkarren, Leiselheim und Hochstetten sowie alle Reichsleute (Leute, die auf Reichsgut sitzen) in den Dörfern Wasenweiler, Ihringen, Bickensohl, Bergen, Rotweil, Bischoffingen, Schaffhausen, Gündlingen und Merdingen verpfändet. Das ist um so erstaunlicher, als er und Gebhard um 1321 bei ihren Händeln mit den Herren von Endingen den Grafen Konrad von Freiburg und die Stadt Freiburg selbst gegen sich aufbringen und deswegen mehrere hundert Mark Schadensersatz und Buße leisten müssen. Als Burkhard 1336 stirbt, hinterläßt er nicht nur zwei unmündige Söhne, Johann und Hesso, sondern auch eine große Schuldenlast. Markgraf Heinrich IV. von Hachberg (Hochberg), der Vormund der Kinder, verpfändet die überschuldeten Besitzungen seiner Mündel an die Städte Freiburg und Endingen. Er versucht auf diese Weise, die Schuldenlast zu vermindern. Die volljährig gewordenen Söhne müssen weitere Verpfändungen vornehmen. 1356 teilen sie den Rest ihrer Besitzungen. Dabei erhält Hesso V. Ihringen. Die Reste der oberen Herrschaft Üsenberg werden 1392 an Hesso, Markgraf von Hachberg, verkauft: Ihringen geht auf diese Weise zunächst an ihn über. 1405 verpfändet er Ihringen dem Grafen Friedrich zu Leiningen, seinem Schwiegersohn, für die versprochene Ehesteuer von 1600 Gulden, 1410 erhält er das Dorf als Ehesteuer. 1414 kauft Markgraf Bernhard I. von Baden, der Begründer des badischen Territorialstaates, die Herrschaft Hachberg. Ihringen wird markgräflich-badisch. Vertreter der Herrschaft im Dorf ist der Schultheiß. Er stellt die Verbindung zwischen Dorfgemeinde und Herrschaft dar. 1374 wird Claus Louchli als Schultheiß zu Ihringen genannt, 1420 erscheint Mathis Winkeler als Unterschultheiß im Namen und anstatt Bernhards, Markgrafen zu Baden. 1426 besiegelt Clewi Frowenritter als Schultheiß einen Lehenrevers. Der Schultheiß steht dem Gericht in Ihringen vor, entscheidet Streitfälle und besiegelt Urteile. Wird ein neuer Schultheiß bestellt, führt der gewesene den Titel Altschultheiß, wie wir aus dem Gesuch des Altschulzen Hörner von Ihringen um Fronfreiheit und Sitz im Gericht erfahren (1781).Nicht nur der Schultheiß, auch die Gemeinde Ihringen hat seit spätestens 1480 nachweisbar ihr Siegel.Die Gemarkungs- grenzen einer Gemeinde lagen früher nicht ein für allemal fest, namentlich dort nicht, wo sie durch das Ried verlaufen. Die Quellen des 15. bis 18. Jahrhunderts wissen daher vielfach von Grenzstreitigkeiten oder Verträgen mit Nachbargemeinden oder von Beschreibung der Gemarkungs-grenzen zu berichten. Oftmals entsteht ein solcher Streit wegen des Weidgangs für das Vieh. Unter Bernhard, der über fünfzig Jahre regiert, erhält die Markgrafschaft eine straffe innere Verwaltung. Nach außen führt er viele Fehden. Hervorzuheben ist seine Fehde mit den breisgauischen und elsässischen Städten, die sich gegen seine Zölle wehren und mit Raub und Plünderung in seine Lande einfallen. Durch Vermittlung des Königs Sigmund, der ihn vorübergehend mit der Landvogtei im Breisgau belehnt hat, kommt 1424 vor Mühlburg ein Vertrag mit den genannten Städten zustande. Darin wird u. a. bestimmt, daß diese Städte die Dörfer Ihringen, Eichstetten, Bahlingen und Malterdingen, die sie auf ihrem Kriegszug eingenommen haben, zwar wieder herausgeben müssen, aber Markgraf Bernhard erhält sie erst wieder nach Erfüllung des Vertrages zurück. Als 1515 die Markgrafschaft durch Erbteilung in zwei Teile zerfällt, gelangt Ihringen unter Markgraf Ernst an die baden-durlachische Linie, bei der es die folgenden Jahrhunderte hindurch verbleibt. Über die bewegten Zeiten des Bauernkrieges wissen die Quellen von Ihringen nichts zu berichten. Als aber im 17. und 18. Jahrhundert die Festung Breisach in den kriegerischen Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges und der Kriege mit Frankreich Bedeutung erlangt, wird das nur fünf Kilometer östlich gelegene Ihringen immer wieder in die furchtbaren Kriegsereignisse gerissen. Folgen wir hier den von Pfarrer Dr. Sick vornehmlich aus den Ihringer Kirchenbüchern geschöpften Aufzeichnungen:

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Gemeinde schon zu einem blühenden Gemeinwesen gediehen. Die Gemarkung umfaßte 1500 Jucherten Reb- und 2000 Jucherten Acker- und Wiesenland. Die Einwohnerschaft zählte 210 Bürger, dazu kamen die vielen, die wie die Hintersassen das Bürgerrecht nicht besaßen. Um die Kirche, das Rathaus, die Schule und das Pfarrhaus gruppierten sich 127 Häuser mit den dazu notwendigen Ökonomiegebäuden. So wie heute bildete offenbar schon damals der Rebbau den Haupterwerbszweig der Gemeinde. Da kam der furchtbare Dreißigjährige Krieg und brachte auch über Ihringen unsägliches Elend. Zwar ging über ein Jahrzehnt die Kriegsfurie gnädig an dem Dorfe vorüber. Je näher aber die kriegerischen Ereignisse kamen, um so gefährlicher wurde die Lage für Ihringen. Da befestigte Markgraf Georg Friedrich den Ort im Jahre 1621 und umgab ihn mit starken Schanzen, die nur im Norden gegen den Lenzenberg eine Lücke aufwiesen. Wieviel diese Befestigungen wert waren, zeigte sich in der Folgezeit. Der Krieg näherte sich 1632 auch dem Oberrhein. Stadt und Festung Breisach wurden von den Schweden vergeblich belagert. Im Jahre 1638 begann die zweite BeIagerung der unglücklichen Stadt durch Herzog Bernhard von Weimar, der die Stadt aushungerte. Durch diese Ereignisse hatte Ihringen ungemein viel gelitten. Von 1624 an war der Ort unablässig mit Truppen belegt, die nicht nur verpflegt und beherbergt, sondern auch gelöhnt werden mußten. Da lesen wir von den "Cortubachischen Reitern", die mit dem Obristleutnant und einer Kompanie 23 Wochen lang in Ihringen einquartiert waren. Im Jahre 1625 waren es die "Hermensdorfischen Völker", die beherbergt und verpflegt werden mußten. Diese waren mit ganz besonderem Mutterwitz ausgestattet. Um besseres Essen und höhere Löhnung zu bekommen, hatten sie sich alle für Gefreite ausgegeben. Dann kamen die Pappenheimer, die, wohl um genügend Unterkunft zu schaffen, erst einmal die Hälfte der Einwohner verjagten, so daß der Rest der Bevölkerung die Lasten der Einquartierung allein zu tragen hatte. Die "Cortubachischen Reiter", die offenbar an die guten Zeiten von Ihringen zurückdachten, kehrten wieder im Dorfe ein und blieben diesmal nur drei Jahre lang. Dazwischen erfreuten auch die "Crabaten", wohl Kroaten, den Ort mit ihrer Anwesenheit und ließen sich's hier wohl sein. Diese Gesellschaft hatte die Einwohnerschaft jedoch drei Wochen Iang dermaßen ,tribulieret`, daß man den Landvogt und die Räte zur Hilfe herbeiholen mußte. Von all diesen Einquartierungen galt: "Den gemeinen Soldaten hat man geben müssen Essen und Trinken bei dem besten Geld, Kleidung und Feldzeichen wie an Pontalierrohr." Unter diesen ungeheuren Belastungen war die Zahl der Bewohner sehr klein geworden und die ehedem wohlhabende Gemeinde sehr arm. Aber als Ihringen noch mehr gefährdet war, mußte auf Befehl der Obrigkeit der Rest des Besitzes auf feste Burgen verbracht werden, u. a. auch nach Schloß Höhingen. Höhingen ging auch an den Feind verloren und mit dieser Feste auch der restliche Besitz der armen Ihringer, darunter 200 Pferde und 300 Stück Rindvieh. Der Schaden, der durch diesen Ietzten Verlust der Gemeinde entstanden war, wurde auf 20 000 Gulden geschätzt. Um diese Zeiten müssen auch die letzten Bewohner des Ortes entflohen sein. Aber wie sah der Ort aus, als von den 261 Bürgern nur 61 in die alte Heimat zurückkehrten! ,Erstlich ist die Kirche durch das Kriegswesen von den Breisacher Soldaten und sonderlich der hohe Turm abgehauen worden und vier Glocken weggenommen. Das Pfarrhaus liegt im Grund, desgleichen das Schulhaus und das Rathaus. Nicht mehr als 17 Dächer ohne Einbau und Scheuern sind nach der Rückkehr der wenigen Bewohner aufgefunden worden. Alle andern sind darnieder gerissen worden mitsamt den Scheuern, Stallungen und Trotthäusern. Der gesamte Schaden der Gemeinde infolge des Dreißigjährigen Krieges wurde auf 121 108 Gulden geschätzt, eine ungeheure Summe für jene Zeit. Sicherlich aber ist sie viel zu niedrig angesetzt. Vor allem konnten darin die leiblichen Schäden der Einwohner nicht erfaßt werden. Am 29. September 1650 wurde auf Befehl der Obrigkeit das Friedens-, Dank- und Segensfest gefeiert. Mit neuem Mut gingen die verarmten Bauern wieder an ihre schwere Arbeit. Aber wie sollten diese wenigen Überlebenden mit der großen Gemarkung fertig werden? Das meiste lag brach. Von den 1500 Jucherten Reben waren nur 43 und von den 2000 Jucherten Acker- und Wiesenland nur 430 in Bearbeitung. Da strömte unmittelbar nach dem Kriege eine starke Einwandererwelle aus den evangelischen Kantonen Zürich und Bern in der Schweiz in die entvölkerten Kaiserstuhldörfer. Ihringen, das mit sieben weiteren Kaiserstuhlgemeinden im Jahre 1556 evangelisch geworden war, nahm etwa 60 bis 70 dieser schweizerischen Familien in seinen Mauern auf. Manche von diesen sind hier seßhaft geblieben. Andere nahmen nach kürzerer oder längerer Seßhaftigkeit den Wanderstab wieder zur Hand und setzten ihre Wanderung fort. Zu gleicher Zeit wanderten Angehörige aus dem Reich in Ihringen ein, von denen ebenfalls viele seßhaft geblieben, andere wieder weitergezogen sind. Gewaltig verstärkt machte sich die Einwohnerschaft an den Neuaufbau. Ganz sicher freilich fühlte man sich immer noch nicht. Die schweren Kriegszeiten hatten zu große Opfer von Ihringen verlangt. In besonderen Naturereignissen ersah man die Vorboten neuer Kriege. Voller Schrecken erlebte man das große Hagelwetter am 14. Juni 1650, das so furchtbar war, daß "es ein Stein hätt erbarmen mögen". Ein Komet, der im Februar 1653 sichtbar wurde, gab gar Anlaß zu einem allgemeinen Buß- und Bettag. Doch mit verbissener Zähigkeit fügte man Stein an Stein. Unter den verschiedenen Neubauten befand sich auch die Kirche, deren Dachstuhl am 14. April 1654 aufgerichtet wurde. Ruhige Zeiten brachten auch die kommenden Jahre nicht. Wenn für die Jahre 1673 bis 1678 im Ehebuch überhaupt nichts eingetragen ist und im Taufbuch sich der Vermerk findet: ,Im Jahre 1677 und 78 in Breisach getauft!`, so ersehen wir daraus, daß Ihringen von neuem vom Kriege heimgesucht worden war. Der Ort lag eben zu nahe an der Stadt und Festung Breisach, als daß er von den dortigen Ereignissen hatte unberührt bleiben können. Nach dem Tode des Bernhard von Weimar setzten sich die Franzosen in den Besitz von Breisach. Erst der Friede von Ryswick entschied den Verbleib der Stadt und gab sie an Österreich. Die kriegerischen Handlungen bei diesen Ereignissen hatte auch Ihringen zu verspüren gehabt. Erst recht war dies im spanischen Erbfolgekrieg 1702-1714 der Fall, in dessen Verlauf die Franzosen Breisach belagerten und 1703 eroberten. Im Frieden von Rastatt im Jahre 1714 wurde Breisach erneut an Österreich zurückgegeben. Auch diesmal fielen die schwarzen Schatten des Krieges auf Ihringen. Im März 1703 findet sich verschiedentlich in den Kirchenbüchern ,sub turpis belli` - unter Kriegsstürmen -, weiter im Beerdigungsbuch der Vermerk, daß die meisten Bewohner, die im Jahre 1703 verstarben, infolge der Belagerung den Tod fanden."    Als der Herzog von Burgund und Vauban Breisach 1703 belagern, holen die Angreifer das nötige Holz und die erforderlichen Faschinen für Schanzen und Gräben aus den umliegenden Kaiserstuhlorten. Der kaiserliche Feldmarschall Thüngen berichtet, daß die Dörfer Achkarren, Ihringen, Wasenweiler u. a,. fast alle abgebrochen seien und daß das Holzwerk zu den Baracken und Linien verbraucht worden sei. Die Belagerer zwingen sogar etwa 3000 Breisgauer Bauern, mit ihnen vor Breisach zu schanzen. Einen Eindruck von der Trostlosigkeit der Zustände am Kaiserstuhl in diesen Jahrzehnten gibt auch die Anzeige des Jägers von Ihringen, daß sich Wölfe in seinem Forst befinden (1672). Geben wir nochmals Pfarrer Dr. Sick das Wort:                "Diese erneuten kriegerischen Heimsuchungen hatten einen starken Rückgang der Bevölkerungsziffer im Gefolge, der bis 1717 andauerte. Von da ab begann eine ruhige Zeit für Ihringen. Die Jahre 1738 bis 1744 lassen einen neuen Einwanderungsstrom erkennen, der sich nach 1717 vom kinderreichen Schwarzwald her auch nach Ihringen ergossen hatte. Die Gemeinde nahm weiterhin, wie auch die übrigen Kaiserstuhlgemeinden, stetig zu. Um der Gefahr der Übervölkerung zu entgehen, folgten in den Jahren 1750 bis 1780 Abwanderungen nach Siebenbürgen und später nach dem Banat. Für Ihringen ist eine solche Abwanderung nach Siebenbürgen sieben Familien anno 1749 - festgehalten worden. Einen neuen Rückschlag in der ruhigen Entwicklung Ihringens bildete die Französische Revolution. Maria Theresia hatte in den Jahren 1741 bis 1748 die Festung Breisach schleifen lassen. Was damals noch übriggeblieben war, hatten die Franzosen 1793 gründlich zerstört. Breisach war eine offene Stadt geworden, welche der Feind jederzeit besetzen und von wo er nach Willkür das rechtsrheinische Gebiet überfluten konnte. Das wurde 1799 auch mit Ihringen gründlich besorgt. Am 8. April 1799 marschierte der Feind, ohne auf österreichische Posten zu stoßen, in den armen Ort. Acht Tage später kam er zum zweiten Male. Zwei der vornehmsten Bewohner wurden als Geiseln weggeführt, weil sie sich geweigert hatten, den Franzosen das Pfarrhaus zu zeigen. Nach dem Abzug der Feinde wurde der Ort durch österreichische Truppen besetzt, die nach Breisach Vorposten aufstellten. Ein halbes Jahr verging in Ruhe. Auf einmal, während des sonntäglichen Gottesdienstes, standen die Franzosen wieder mitten im Ort. Die österreichischen Vorposten waren glatt überrumpelt worden. Unendliches Elend brachten die Franzosen über den armen Ort. ,Zwei Bürger, die flüchten wollten, wurden auf der Flucht erschossen.` Alle diese Einfälle der Franzosen im Jahre 1799 in Ihringen erfolgten mitten im Frieden. Durch den Frieden von 1805 kam der ganze Breisgau an den Markgrafen von Baden-Durlach. Damit begann eine Zeit dauernden Friedens für Ihringen. Die Bevölkerungsziffer stieg gewaltig in die Höhe, und während andere Gemeinden hinsichtlich der Einwohnerzahl vielfach zurückgingen, besaß Ihringen mit der Zeit eine Einwohnerzahl, die um 97 höher war wie diejenige aus dem Jahre 1815. Wie läßt sich diese günstige Entwicklung Ihringens begründen? Wie in allen anderen Gemeinden des Kaiserstuhls, ist es auch in Ihringen der Weinbau, der den Haupterwerbsquell darstellt. Auch Ihringen ist ein alter Winzerort, der als solcher schon im Jahre 962 n. Chr. erwähnt wird. Und aus der Klosterzeit wissen wir, daß z. B. das Kloster Tennenbach in Ihringen Reben besaß. Das heute noch gebräuchliche Gewann ,Abts Wingarte` ist noch eine Erinnerung an diesen Klosterbesitz. Aber die Weine, die aus diesen Lagen gewonnen wurden, entsprachen hinsichtlich des Erlöses keineswegs der vielen Arbeit, die der Winzer zu leisten hatte. Dazu kamen viele Mißernten, Schulden aus vergangenen Kriegszeiten, geringer Feldbesitz, da im Erbgang der Boden maßlos geteilt worden war und Zwergbetriebe entstanden waren, die beinahe nicht mehr lebensfähig waren. So war, wie in den anderen Kaiserstuhlgemeinden, auch in Ihringen am Ende des 18. Jahrhunderts die Lage trostlos geworden. Markgraf Karl Friedrich machte mancherlei Vorschläge zur Behebung der wirtschaftlichen Not. So riet er dringend, den Rebbau zurückzustellen und die Landwirtschaft intensiver zu betreiben. Aber dazu fehlte es am nötigen Gelände in der Ebene. Und außerdem: Der Berg ließ keine andere Kultur als den Rebbau zu. Nunmehr wandte die Regierung ihr Augenmerk auf diesen Rebbau. Um die Anbauflächen zu vergrößern, ließ sie durch die Domäne im Jahre 1813 an der West und Südecke des Kaiserstuhls, da, wo sich ehedem ein Steinbruch befand, 6,5 ha mit Buschwerk bedecktes Ödland unter der Bedingung versteigern, daß dieses Feld gerodet würde. Unter den zehn Steigerern, die je 1 bis 2 Jucherten erwarben, befand sich auch der damalige Oberwund- und Hebarzt Georg Ernst Lydtin von Ihringen, der für 14 Gulden 76,5 ar ersteigerte. Lydtin hatte in napoleonischen Diensten in Italien geweilt. Dort hatte er am Fuße des Vesuvs auf Lavagestein die berühmten Weinpflanzungen kennengelernt, welche die Lacrimae-Christi-Weine liefern. Er machte den Versuch, diese Reben auf dem Lavagestein des von ihm erworbenen Grundstücks am Kaiserstuhl anzupflanzen. Der Versuch gelang vollständig, so daß er noch einmal ein kleines Grundstück erwarb, um auch dieses mit den neuen Sorten zu bepflanzen. Lydtin fand bald eine große Gefolgschaft, die den Vorteil dieser Qualitätsweinpflanzung einsah und ebenfalls auf sie umstellte. Das ist die Ursache für die Entstehung der größten Winzergemeinde: Der Qualitätswein, der durch Lydtin am Kaiserstuhl heimisch wurde und einen höheren Erlös abwirft als die alten Weinreben. Lydtins Tat ist nicht vergessen worden. Der Wanderer, der am Winklerberg vorbei die Straße nach Breisach zieht, sieht am Steilhang des Berges, dort, wo zum ersten Male italienisches Gewächs die köstliche Traube brachte, eine Marmortafel, die zur Erinnerung an Lydtin und seine Tat im Jahre 1898 angebracht wurde. ,Aus einer Steingrube schuf er 1828/29 diesen Weinberg, den er mit Reben aus Süditalien bepflanzte und so den Grund für den Edelweinbau am Kaiserstuhl legte`, steht auf der Tafel."      Nach den furchtbaren Kriegsereignissen des 17. und 18. Jahrhunderts gibt das 19. Jahrhundert dem Ihringer Gemeinwesen endlich die Möglichkeit, sich zu entfalten. Die in den vielen Kriegen immer wieder dezimierte Bevölkerung nimmt ständig zu. Dies wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts augenfällig: Der Friedhof bei der Kirche ist längst zu klein geworden, ein neuer Gottesacker wird daher 1862 im Gewann "Kammerten" angelegt. In dieses Jahr fällt übrigens der Baubeginn für die erste Eisenbahn von Freiburg nach Breisach. Am 16. September 1871 können dann die Ihringer erstmals nach Freiburg und nach Breisach mit der Eisenbahn fahren. Nicht nur der Friedhof, auch die Kirche ist zu klein geworden. 1874 wird die alte Kirche abgerissen, da sie zudem auch baufällig geworden ist, denn zu oft ist das Dach in den vorausgegangenen Kriegen abgedeckt worden. Obwohl der Turm noch gut erhalten ist, fällt auch er den Abbrucharbeiten zum Opfer. Während des Neubaues der Kirche (1874-1877) versammelt sich die Kirchengemeinde in der kleinen, auf dem (jetzigen) Friedhof errichteten Notkirche. Den Sandstein für den Neubau holen die Ihringer von Heimbach bei Emmendingen. Einer zahlreicher werdenden Bevölkerung genügen die alten Schöpfbrunnen nicht mehr (einige sind heute noch im oberen Teil des Dorfes zu sehen). 1892 entschließt sich die Gemeinde, eine Wasserleitung zu legen. Zunächst werden die Quellen gefaßt. Gegen hundert Italiener werden eingesetzt, die Gagenhard- und die Zwehrenbachquellen zu fassen. Die Zwehrenbachquelle wird durch einen Tunnel über das Eck bis zum oberen Schmerberg (Judenbuck) geführt. Bei den Sprengarbeiten hierfür wird einer dieser Arbeiter tödlich verletzt. Mit dem Bau des Pumpwerkes finden diese Arbeiten 1911 ihren vorläufigen Abschluß. Die Einwohner- zahl wächst weiter, und damit die Zahl der Schüler. Das alte Schulhaus vermag schon längst nicht mehr alle Schüler in seinen Klassenräumen aufzunehmen, die Klassen sind auf verschiedene Häuser verteilt. Die Gemeinde errichtet daher in den Jahren 1907 bis 1911 einen Schulhausneubau und gibt ihm den Namen "Albertschule" (genannt nach Altbürgermeister Albert Mößner, der der Gemeinde fast dreißig Jahre gedient hatte). Nicht nur der Errichtung neuer öffentlicher Gebäude soll hier gedacht werden, auch einige private Bauherren verdienen erwähnt zu werden, da Ihringen durch sie ein neues Gesicht erhalten hat. Durch ihre Initiative wird das Ortsbild wesentlich erweitert und in seinen Grundzügen neu gestaltet. Die Riedgasse, vorher nur ein Feldweg, wird zwischen 1900 und 1915 durch Max Schillinger planmäßig bebaut. Zu diesem Zweck errichtet er sogar ein eigenes Ziegelwerk. Jakob Waibel verdanken das Oberdorf und die Breisacher Straße, Johannes Hösle die Riedengärten ihre Bebauung. Im Ortsteil Riedengärten stehen die Ökonomiegebäude durchweg auf den alten Festungsmauern. Im Hause des Albert Burtsche ist noch heute ein Stück der alten Festungsmauer zu sehen. Im Hause des Emil Stiefel hat man eine Doppelmauer gefunden. Sie heißt noch immer "Flächtloch" (Fluchtloch), weil die Ihringer in den vergangenen Kriegs- zeiten ihr Hab und Gut dorthin geflüchtet haben. Die Breulstraße und die Köpenicker Straße bebaut Jakob Karle. Als die "Köpenicker" 1927 stark erweitert wird, erhält sie ihren heutigen Namen Zeppelinstraße nach dem berühmten Grafen Zeppelin. In manchem der Häuser aus dieser Zeit nach 1900 fallen die unterschiedlichen Türrahmen in ein und demselben Haus auf. Das liegt daran, daß einige Bauherren Material von Freiburger Abbruchhäusern verwendet haben. Das erklärt weiter den niedrigen Kaufpreis von 5000 Goldmark für ein landwirtschaftliches Anwesen samt Ökonomie. Bei dieser günstigen Entwicklung der Dinge verantwortet es der Gemeinderat, das alte Rathaus auf dem Kirchplatz (wo jetzt das Denkmal steht) abzureißen und mitsamt der Gemeindeverwaltung 1905 in das von der Familie Birmelin erworbene landwirtschaftliche Anwesen umzuziehen. Noch heute erinnern sich die alten Ihringer gern an die Einführung des elektrischen I.ichtes im Jahre 1908. Man bleibt auf, um die Helligkeit des Lichtes, das die Nacht zum Tage macht, zu erleben, kurz, ganz Ihringen gerät außer Rand und Band. Ebenso gern erinnern sie sich auch an die schönen alten Gastwirtschaften, von denen sie manche kurzweilige Begebenheit zu berichten wissen. Folgende Wirtschaften seien hier genannt:

"Ampele" = heute Metzgerei Hohwiehler;

"Hirschen" = heute Hermann Mattmüller;

"Löwen" = heute Gustav Bühler;

"Engel" = jetzige Apotheke;

"Ochsen" -= heute Schuhhaus Gibson;

"Badischer Hof" = heute Weingut Stigler;

"Krone" = jetzt Gemeindehaus;

"Kronprinzen" = heute "Traube";

der "Rebstock" zeichnet sich dadurch aus, daß er gleichzeitig Amtsstube des Bürgermeisters gewesen ist. Die alte Ihringer Brauerei hört um die Jahrhundertwende auf zu bestehen, als der Rebbau zu neuer Blüte gelangt. Silvaner und Ruländer setzen sich gegenüber Räuschling (Klöpfer) und Elbling endgültig durch. Aber immer noch hängt der Absatz des Weines vom Zufall ab. Die Winzer sind auf Kommissionäre und Wirte, die die Preise bestimmen, angewiesen, die zudem den Kaiserstühler Wein, der noch keinen Namen besitzt, als Pfälzer Wein vertreiben. 1901 läßt sich der Weinhändler Rappenecker in Ihringen nieder und baut hier einen Weinkeller. Ein Ihringer Bürger namens Großklaus wird sein Verwalter. Als die Inflation Rappeneckers Geschäft zerstört und die Winzer in Not geraten, wird Großklaus ihr Retter in dieser Not. Zusammen mit dem Bürgermeister von Merdingen, dem Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Hauptverbandes, gründet er 1924 die Ihringer Winzergenossenschaft. Sie können zunächst den Rappeneckerschen Keller pachtweise, drei Jahre später käuflich erwerben. Die Mitglieder halten zusammen und vermögen so den Rückschlag des Jahres 1928 mit seinen abgeschlagenen Weinpreisen zu überstehen. 1933 wird die Genossenschaft saniert. In der Weinschwemme von 1934 wird eine Notgemeinschaft gegründet: Die Gemeinde mietet Kellerräume in Endingen, um den vielen Wein unterzubringen. Die Absatzschwierigkeiten des Weines zwingen viele Winzer, in die Genossenschaft einzutreten. Durch die Zunahme der Mitglieder werden die Kellerräume zu klein. Die frühzeitige Umstellung der wurzelechten Reben auf Pfropfreben führt zu vermehrtem Weinertrag. Daher müssen 1935, 1952, 1959 und 1961 Erweiterungsbauten vorgenommen werden. Der Genossenschaftsgedanke hat sich bewährt. Großklaus ist heute nicht nur in Ihringen, sondern in ganz Deutschland als Pionier des Genossenschaftswesens bekannt. In Anerkennung dieser Verdienste hat die Gemeinde beim Weinfest 1960 Herrn Großklaus und auch Herrn Dr. Heger, der für seine Qualitätsweine bekannt ist, das Ehrenbürgerrecht verliehen. Siebzig Prozent der Ihringer Winzer sind heute in der Genossenschaft. Sie hat 630 Mitglieder. Von den 1879 ha Gemarkungsfläche sind 450 ha Rebland. Die Ihringer Winzergenossenschaft ist heute die größte Winzergenossenschaft Deutschlands. Ihre Keller haben ein Fassungsvermögen von 4,5 Millionen Litern. Außer der Winzergenossenschaft befinden sich an diesem wärmsten Orte Deutschlands namhafte Weingüter: H. Pflüger & Co., um mit dem ältesten zu beginnen, ferner die Weingüter Stigler und Dr. Heger. Die ihnen bisher verliehenen Preise und Prämien zeigen, daß ihre Qualitätsweine über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind. An selbständigen Weinkellereien müssen ferner Karl Karle und Theo Kiß genannt werden. In Ihringen ist auch der seit 1944 aus der Verschmelzung von Milchgenossenschaft, landwirtschaftlicher Ein- und Verkaufsgenossenschaft und Spar- und Kreditbank entstandene Raiffeisen-Verband von Bedeutung für die Landwirtschaft. Harter Arbeit pflegen heitere Feste zu folgen. Nachdem die Ihringer unter großen Opfern die Rückschläge überstanden haben, feiern sie 1935 das erste Ihringer Winzerfest. Nach dem Kriege führt Ihringen im Jahre 1950 das erste Kaiserstühler Weinfest durch. Schon heute haben diese Feste ihre Tradition, und andere Weinbaugebiete sind diesem Beispiel gefolgt. Die günstige Entwicklung des Weinbaues hat nach 1945 zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinde geführt. Obwohl sich die Bevölkerungszahl nicht sehr vergrößert hat, sind dennoch größere Neubaugebiete entstanden. Ein Hinweis auf Wurzelbrunnen und Großbreul mag hier genügen. Diese Erscheinung findet im Drang zum Eigenheim ihre Erklärung. Insgesamt sind seit 1945 über hundert Neubauten entstanden. Die erste, 1926 im Bereich der Scherkhofen- und Bachenstraße erfolgte Kanalisation wird weiter ausgebaut. Zu diesen Neubauten sind insbesondere die Aussiedlungshöfe zu zählen, die im Rahmen der landwirtschaftlichen Strukturver6esserung auch in Ihringen außerhalb der geschlossenen Ortschaft entstanden sind. Fünf dieser Aussiedlungs- höfe sind bereits bezogen, zwei stehen kurz vor der Fertigstellung, der achte befindet sich in der Planung. Der wirtschaftliche Aufschwung bedeutet zugleich einen sozialen Umschwung. In der früher rein bäuerlichen Gemeinde werden heute an 1250 Personen Lohnsteuerkarten ausgegeben. Allein 150 Rhodiaceta-Arbeiter werden gezählt und sollen hier beispielhaft für die übrigen Pendler genannt werden, von denen manche nach Feierabend in die Reben gehen. Gegenüber früher ist die Rebfläche sogar größer geworden. Ohne die auch dem Rebbau zugängliche Mechanisierung und Rationalisierung der Betriebe ist die Arbeit des heutigen Winzers nicht mehr möglich. Die Verwendung von Maschinen verlangt in verstärktem Maße den Wirtschafts- wegebau. In den dreißiger Jahren werden 15 km neue Wege angelegt, nach dem Zweiten Weltkrieg weitere 10 km. Von den 135 km Gemeindewegen entfallen auf das Rebgebiet 80 km. In den letzten Jahren hat die Gemeinde davon 9 km Wege befestigt und geteert. Trotz der Bewältigung solcher und anderer vom Gebot des Tages bestimmter Aufgaben hat es die Gemeinde nicht versäumt, ihren Gefallenen der beiden Kriege würdige Stätten des Gedenkens zu errichten. Schon im Frühjahr 1920, anläßlich einer Feier zum Empfang der aus der Gefangenschaft Heimgekehrten, taucht der Gedanke auf, die 130 Gefallenen und Vermißten durch Erstellung eines Denkmals zu ehren. Die Inflation verzögert zunächst die Ausführung dieses Planes, schließIich kann aber dem akad. Bildhauer Merten, Freiburg, die Ausführung des Denkmals übertragen und die Enthüllung des Mahnmals 1928 vorgenommen werden. Auf einer achtkantigen Säule aus Kunstmuschelkalk steht, aus gewachsenem Muschel- kalkstein gehauen, ein Soldat in voller Kriegsausrüstung mit seinem gefallenen Kameraden an der Seite. Der Zweite Weltkrieg führt - durch die Grenznähe bedingt - die Schrecken des Krieges erneut in das Dorf. Die Bevölkerung muß daher im Spätjahr 1939 und im Frühsommer 1940 evakuiert werden. 263 Opfer hat die Gemeinde nunmehr zu beklagen, darunter 77 Vermißte und zwölf zivile Kriegsopfer. 1956/57 macht es sich die Gemeinde zur ehrenvollen Pflicht, auch ihrer mit einem Mahnmal zu gedenken. Angefügt an das alte Denkmal liegt der von akad. Bildhauer Karl-Heinz Engelin, Breisach, gestaltete, 1959 geweihte Gedenkstein für die Toten von 1939-1945. Der schlichte Block, auf dem eine menschliche Figur lang hingestreckt liegt, wirkt wie ein Sarg. Er steht da, stellvertretend für die Särge und Gräber der Ihringer, die in fremder Erde ruhen und deren Namen in erhabenen Buchstaben als Mahnung für die Lebenden aus dem Stein gemeißelt sind. Im gleichen Jahre wird beim Ihringer Friedhof der Soldatenfriedhof eingeweiht. Auf ihm ruhen 88 Gefallene, darunter 24 Tote des Ersten Weltkrieges. Hier haben nun auch die im Raume Königschaffhausen Gefallenen die letzte Ruhe gefunden. Nach diesem Verweilen bei den verewigten Ihringern wendet sich der Blick des Chronisten nun wieder der Gegenwart der Gemeinde zu, dem Jubiläumsjahr 1962, das im Zeichen der Jugend steht. Wieder ist die Schülerzahl gewachsen, das alte Haus als Schulhaus nicht mehr brauchbar. 52 Jahre nach der Einweihung des letzten Schulhausneubaues wird das in diesem Jahre begonnene Schulhaus dem nächst sein Richtfest feiern können. Hingegen ist das 1960 begonnene Schwimmbad, das in erster Linie ein Geschenk an die Ihringer Jugend darstellt, bereits am 29. Juli 1962 seiner Bestimmung übergeben worden.

Ihringen blickt auf eine lange, bewegte Geschichte zurück. Fleiß und Ausdauer seiner Bewohner haben alle Schicksalsschläge bezwungen. Möge der Gemeinde eine glückliche Zukunft beschieden sein.

 

Die Ihringer Bevölkerung in den Jahren von 1852-1962

Jahr

Zahl der Personen

 

Evangelische

Katholische

Israeliten

männlich

weiblich

Summe

1852

Ihringen

mit

           
           

2069

4

263

1127

1209

2336

Himmelburg

20

-

-

8

12

20

Mühletal

9

-

-

4

5

9

Sauwasen

10

-

-

4

6

10

Summe

2108

4

263

1143

1232

2375

1855

2134

1

252

1120

1267

2387

1861

2208

17

255

1183

1343

2526

1880

2275

54

236

1260

1305

2465

1890

2453

77

217

1352

1395

2747

1900

2722

119

186

1522

1505

3027

1910

2981

96

162

1609

1642

3251

1925

3103

148

102

1625

1730

3355

1933

3126

207

98

1707

1753

3460

1939

3126 ?

204

41

1622

1726

3388

1946

3056

231

-

1468

1867

3335

1950

3279

263

-

1697

1906

3603

1961. Angaben der Gemeindeverwaltung Ihringen.

 

Auszug aus der Festschrift zur 1000-Jahr Feier
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